Bürger viel früher mit einbeziehen

[Weinheimer Nachrichten vom 02. Mai 2014]

WN-Wahlforum „60 Minuten“: Kandidaten nehmen Stellung.

Weinheim. „Mehr Bürgerbeteiligung“ haben sich eigentlich alle Parteien und Wählervereinigungen auf die Fahnen geschrieben, die bei der Weinheimer Gemeinderatswahl am 25. Mai antreten. Doch im Umgang mit Bürgerinitiativen (BI) und im Verhältnis zwischen Gemeinderat und Verwaltung gehen die Meinungen zum Teil doch weit auseinander. Das wurde beim zweiten WN-Wahlforum „60 Minuten“ deutlich, das am Dienstag in der Fußgängerzone am Karlsberg stattfand.

Von unserem Redaktionsmitglied Carsten Propp.

Schon die erste Frage der WN-Redakteure Jürgen Drawitsch und Verena Müller-Rohde brachte interessante Unterschiede ans Licht. Während Elisabeth Kramer (Grüne/Alternative Liste), Carsten Labudda (Linke), Susanne Krüger (FDP) und Susanne Tröscher (CDU) kein Problem damit haben, neben ihrer Tätigkeit als Stadträte auch aktiv bei einer BI mitzumachen, sahen Stella Kirgiane-Efremidis (SPD) und Dr. Klaus Ditzen (Freie Wähler) Bürgerinitiativen in erster Linie als wichtige Gesprächspartner. „Früher hätte ich es sogar unmoralisch gefunden, als Stadträtin selbst in einer BI mitzumachen“, sagte Kirgiane-Efremidis. Die Parteien sollten ihrer Meinung nach den Dialog mit einer BI suchen und wichtige Argumente in die politische Debatte tragen, war sie sich mit Ditzen einig.

Unmoralisch oder legitim?„Die Mitwirkung in einer BI als unmoralisch zu bezeichnen, ist völlig deplatziert“, ärgerte sich Labudda. Es sei absolut legitim, dass sich bei einer BI auch Stadträte beteiligen. Schließlich gehe es dort immer um ein spezielles Sachthema, für das Menschen auf Zeit zusammenarbeiten. Das sahen Tröscher und Krüger genauso. Es sei doch besonders spannend, dass dort über Parteigrenzen hinweg gemeinsam ein Ziel verfolgt wird. Allerdings räumte Tröscher ein, dass ihre Mitwirkung bei der BI Breitwiesen für ihre CDU-Fraktion „gewöhnungsbedürftig“ gewesen sei. Und Kramer fügte hinzu: „Viele Leute denken nicht in den parteipolitischen Kategorien. Deshalb sind Bürgerinitiativen so wichtig.“ Es bleibe jedoch ein „Drahtseilakt“, konterte Kirgiane-Efremidis, vor allem dann, wenn sich ein Stadtrat einer BI anschließt, nachdem der Gemeinderat mehrheitlich schon eine (andere) Entscheidung getroffen hat.

Peter Lautenschläger – aktuell noch Stadtrat bei Weinheim Plus und nun Kandidat für die neue Weinheimer Liste (WL) – würde sich wünschen, dass sich mehr Menschen, die zunächst „nur“ in einer BI mitmachen, anschließend im Gemeinderat engagieren. Denn dort müssten auch in Zukunft die wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Das setze allerdings voraus, dass die Verwaltung die Stadträte frühzeitig mit allen relevanten Informationen versorgt, anstatt im Alleingang entscheiden zu wollen, wie das Biergarten-Beispiel wieder einmal gezeigt habe. „Das Problem ist der schwache Gemeinderat, der sich das allzu oft gefallen lässt“, meinte Lautenschläger.

Einen Profilverlust durch die Mitwirkung an Bürgerinitiativen befürchten die Parteien offenbar nicht. „Man darf sich auch nicht treiben lassen“, meinte Tröscher, „sondern muss sich mit den Sachargumenten auseinandersetzen.“ Der konstruktive Dialog war allen Kandidaten wichtig. Krüger sah das Problem an anderer Stelle. Sie kritisierte die mangelnde Transparenz der Verwaltung: „In Weinheim gibt es so viele Bürgerinitiativen, weil hier so viel gemauschelt wird.“

Mehr TransparenzModerater formulierte Ditzen: „Direktere Demokratie erfordert einfach mehr Überzeugungsarbeit der Verwaltung.“ Labudda brachte es auf den Punkt: „Bürgerbeteiligung erfordert zuallererst mehr Information und Transparenz der Verwaltung.“ Deshalb setze sich die Linke dafür ein, dass alle Protokolle der Gemeinderats- und Ausschusssitzungen im Internet veröffentlicht werden. Das sei schon lange auch eine Forderung der FDP, ergänzte Krüger, aber bisher sei man von der Verwaltung immer nur vertröstet worden.

Ferner sollte die Verwaltung bei jedem Thema prüfen, ob es für eine breitere Bürgerbeteiligung relevant sein könnte und dies auch dokumentieren, meinte Kirgiane-Efremidis und fügte hinzu: „Außerdem sollten die Ausschüsse viel seltener nicht öffentlich tagen.“ Ein Satz, der WN-Redakteur Drawitsch bekannt vorkam: „Diese Forderung haben wir schon vor fünf Jahren von fast allen Parteien gehört, geändert hat sich aber nichts“, wandte er ein. Die kleineren Parteien und Wählerlisten wiesen da mit dem Finger in Richtung der großen Fraktionen, die ja eine Änderung hätten erzwingen können.

In der letzten Fragerunde wurde es noch einmal konkret: Welche Entscheidungen erfordern künftig in Weinheim eine frühe(re) Bürgerbeteiligung? Elisabeth Kramer fiel da an erster Stelle das neue Sanierungsgebiet „Westlich Hauptbahnhof“ ein. Carsten Labudda ging einen Schritt weiter: „Bei allen größeren Bau- und Infrastrukturprojekten.“ Peter Lautenschläger erweiterte den Katalog um das Thema Finanzplanung. Stella Kirgiane-Efremidis und Susanne Krüger war es wichtig, dass die Bürgerbeteiligung schon bei der Erarbeitung von Lösungsvorschlägen greift und nicht erst dann, wenn sich die Verwaltung schon eine Meinung gebildet hat.

Klaus Ditzen sah Weinheim beim Thema Flüchtlingspolitik auf einem guten Weg. Eine Aussage, die Susanne Tröscher so nicht stehen lassen wollte: „Der sogenannte Dialog, den die Stadtverwaltung anfangs durchgeführt hat, war eine Farce. Erst der Gemeinderat hat dafür gesorgt, dass etwas in Bewegung gekommen ist.“

Trackback URL:
https://linksparteiweinheim.twoday.net/stories/876867638/modTrackback



mitgliedwerden



Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Besucher

Counter
seit 01.10.2005


Presseecho
Pressemitteilungen
Termine
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren