„Die Große Koalition hat bisher fast nichts auf den Weg gebracht“

[Rhein-Neckar-Zeitung vom 30. April 2014]

Linken-Fraktionsvize Dietmar Bartsch über die Probleme der Opposition und die Zukunft Europas.

Von Christian Altmeier.

Heidelberg. Dietmar Bartsch ist stellvertretender Vorsitzender der Linken-Fraktion im Bundestag.

> Herr Bartsch, haben Sie den Wahl-OMat zur Europawahl ausprobiert?

Ja, das habe ich. Es kam eine eindeutige Mehrheit für die Linke dabei heraus. Allerdings war der Abstand zu den nächstplatzierten Parteien diesmal geringer als beim Wahl-O-Mat zur Bundestagswahl.

> Linke-Spitzenkandidatin Gaby Zimmer hat die meisten Übereinstimmungen mit den Grünen erzielt. Ist das schon eine Folge der gemeinsamen Oppositionsarbeit in Berlin?

Nein, sicher nicht. Die beiden Oppositionsparteien im Bundestag sind objektiv gezwungen, bei einigen Punkten miteinander zu arbeiten. Wenn wir gemeinsame Interessen haben, tun wir das auch sonst. Auf der anderen Seite gibt es in der Opposition keine Koalition. Wir sind eigenständige Parteien und konkurrieren beiWahlen miteinander.

> Warum fällt es Linken und Grünen im Bundestag so schwer, sich Gehör zu verschaffen?

Das liegt unter anderem daran, dass die Große Koalition bisher real fast nichts auf den Weg gebracht hat, womit wir uns auseinandersetzen könnten. Es liegt sieben Monate nach der Wahl immer noch kein Gesetzentwurf vor. Über Vorhabenwie bei der Rente oder den Mindestlohn wird bisher heftig innerhalb der Koalition diskutiert. Aber ich gebe zu: Wir haben in der Oppositionsarbeit sicherlich noch Luft nach oben.

> Liegt das nicht auch daran, dass die Koalition Positionen vertritt, denen die Linke eigentlich zustimmen müsste?

Ich bin stolz darauf, dass wir einen wesentlichen Beitrag geleistet haben, dass es einen Mindestlohn in Deutschland geben wird. Wir waren die erste Partei, die sich dafür eingesetzt hat. Was die Koalition jetzt vorhat, hat allerdings mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, wie wir ihn wollen, wenig zu tun. Es gibt reichlich Ausnahmeregelungen, es können jetzt noch Tarifverträge unterhalb des Mindestlohns abgeschlossen werden und selbst 8,50 Euro ergeben einen Lohn, der gerade so über dem Existenzminimum liegt.

> Gefallen Ihnen denn wenigstens die Rente mit 63 und die Verbesserungen bei der Mütterente?

Es sind Schritte in die richtige Richtung, aber diese stellen keine Gerechtigkeit her. Dazu braucht die Koalition die Reserven der Rentenkasse auf und weiß nicht, wie es danach weiterfinanziert werden soll. Diese Politik vergeht sich an den zukünftigen Generationen.

> Wie sollte es denn finanziert werden?

Wir brauchen mehr Einnahmen für die Rentenkasse. Die Beitragsbemessungsgrenze muss fallen, auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige sollten in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen und alle Einnahmen, zum Beispiel auch Zinseinnahmen, müssten beitragspflichtig werden.

> Es wird spekuliert, sie könnten gemeinsam mit Sahra Wagenknecht die Führung der Linke-Fraktion übernehmen, falls Gregor Gysi zurücktritt. Wie gut verstehen Sie beide sich?

Wir sind jetzt Stellvertreter von Gregor Gysi, die zum Beispiel gemeinsam die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion verantworten. Wir kennen uns seit über 20 Jahren und haben Phasen engerer Zusammenarbeit und Phasen der Auseinandersetzung gehabt. Jetzt arbeiten wir gut zusammen und es ist unsere Verpflichtung, dies auch weiter zu tun.

> Blicken wir nach Europa: Griechenland hat wieder Anleihen am Markt platzieren können. War der Sparkurs in der Euro-Krise also der richtige Weg?

Nein, ganz sicher nicht. Der Maßstab erfolgreicher Politik ist, ob es denMenschen besser geht. Wir haben in Griechenland über 60 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, das Bruttoinlandsprodukt dort ist dramatisch gesunken. Der Kauf der Anleihen zeigt nur, wie groß der Bedarf des Finanzmarkts derzeit ist. Ich meine, der Kurs, den Angela Merkel in Europa fährt, ist gescheitert. Europa muss sozial und solidarisch sein und es muss wieder demokratisch werden. Weder die deutsche noch die griechische Bevölkerung haben über die so genannten Rettungspakete entschieden.

> Sie fordern also Volksentscheide?

Ich bin sehr für Volksentscheide, über die Rettungspakete würde ich aber nicht so abstimmen lassen. Das wäre problematisch. Es muss klarer gesagt werden, wem die Rettungsschirme eigentlich helfen. In Griechenland sind nur sechs Prozent dieser Gelder in den Haushalt geflossen. Der Rest ist zur Finanzierung z.B. deutscher und französischer Banken sowie Schweizer Versicherungskonzerne eingesetzt worden. Und deshalb ist natürlich die Frage: Wer entscheidet denn das? Wir brauchen mehr Transparenz.

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