Optionsmodell für den Rhein-Neckar-Kreis verhindern!

[Rede von Kreisrat Carsten Labudda, DIE LINKE, bei der Sitzung des Kreistages des Rhein-Neckar-Kreises in Heddesheim am 20. Juli 2010]

Sehr geehrter Herr Landrat,
Sehr geehrte Damen und Herren,


Wir verhandeln heute über einen Antrag, der die Möglichkeit eröffnen kann, das Hartz-IV-Regime im Rhein-Neckar-Kreis künftig nach dem Optionsmodell zu gestalten. Das bedeutet, der Kreis würde künftig nicht nur die Wohnkosten für Erwerbslose tragen, sondern auch alle anderen Leistungen, wie z.B. die Arbeitsvermittlung.

Meine Damen und Herren,

Um die Haltung der Kreistagsgruppe der LINKEN zu verdeutlichen, muss ich kurz auf unsere letzte Kreistagssitzung in Plankstadt eingehen. Damals stand bei uns ein Antrag zur Diskussion, der sich mit der inzwischen erfolgten Änderung des Grundgesetzes zum Thema Sozialgesetzbuch II befasst hat. SPD und Grüne forderten uns Kreisräte auf, diese Verfassungsänderung zu begrüßen. CDU, Freie Wähler und FDP meinten dazu, wir sollten doch erst einmal die Durchführungsbestimmungen abwarten.

[Kreisrat Bruno Sauerzapf (CDU): Genau.]

Nun, meine Damen und Herren: Ich habe in der Sitzung für DIE LINKE unsere massive Verärgerung hierüber deutlich gemacht. Das Bundesverfassungsgericht hatte die Mischfinanzierung beim SGB II für verfassungswidrig erklärt. Jeder Bürger würde zurecht erwarten, dass ein verfassungswidriges Gesetz geändert wird. Das Erwerbslosenforum Deutschland hat dazu vernünftige Vorschläge gemacht. Aber nein – nicht das verfassungswidrige Gesetz wurde geändert, sondern die Verfassung.

[Unruhe im Saal.]

Das ist ein demokratiepolitischer Skandal!

[Unruhe im Saal.]

So kann man doch nicht vorgehen, dass man erst die Verfassung bricht – und sie sich dann zurechtbiegt, um dem Verfassungsbruch einen Anschein von Legitimität zu verschaffen!

[Unruhe im Saal. Zurufe: Falsch! Unsinn!]

Von der rechten Seite des Hauses heißt es dazu nur: Lasst uns die Durchführungsbestimmungen abwarten.

[Unruhe bei CDU, FW und FDP.]

Mit welchem Recht, meine Damen und Herren von CDU und FDP, lässt eigentlich IHR Innenminister Heribert Rech uns LINKE vom Landesamt für Verfassungsschutz beobachten,

[Unruhe bei CDU, FW und FDP.]

wenn Sie bei einem solchen Skandal nur mit den Schultern zucken?

[Unruhe bei CDU, FW und FDP.]

Und Sie, liebe Sozialdemokraten und Grüne –

[Unruhe im Saal.]

Ihre Parteigranden erklären öffentlich, wir LINKEN hätten ein gespaltenes Verhältnis zur Demokratie –

[Unruhe bei SPD und Grünen.]

während Sie hier im Kreistag beantragen, dass wir dieses unmögliche Zurechtbiegen des Grundgesetzes auch noch gutheißen sollen.

[Unruhe im Saal.]

Nein, meine Damen und Herren, wir LINKEN heißen das nicht gut!

Jetzt haben wir aber den Salat und müssen unsere Position in einem geänderten Koordinatensystem neu bestimmen. Und nun, meine Damen und Herren, sind wir mit einem Antrag konfrontiert, nachdem der Rhein-Neckar-Kreis die Option beim SGB II ziehen könnte. Seitens der LINKEN lehnen wir diesen Antrag ganz klar ab, und zwar aus drei Gründen.

1. Wie Sie wissen, betrachten wir die Hartz-IV-Thematik immer zuerst aus der Warte der Betroffenen. Ich habe Ihnen bei der Sitzung in Plankstadt aus einer Erklärung des Erwerbslosenforums Deutschland zitiert. Die Betroffenen haben in den inzwischen über fünf Jahren Hartz IV vielschichtige Erfahrungen machen müssen. Eine davon ist eindeutig: In den Optionskommunen ist die Rechtssicherheit für die Arbeitssuchenden kaum noch gewahrt, weil die Betroffenen sich kaum mehr auf bundeseinheitliche Standards berufen können. Stattdessen fühlen viele Hartz-IV-Betroffene in Optionskommunen sich wie Freiwild für ihre Fallmanager! Genau diese Problematik ist mit dem Ziehen der Option auch für die Erwerbslosen im Rhein-Neckar-Kreis zu befürchten, weshalb DIE LINKE dies ablehnt und stattdessen eine bundeseinheitliche Regelung will, die wenigstens zum Teil unter dem Dach der Bundesagentur für Arbeit steht.

2. Die zweite Perspektive, die uns LINKE interessiert, ist die Perspektive der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Dem Antrag ist zu entnehmen, dass im Falle der Option 90 Prozent der mit dem SGB II befassten Beschäftigten der Agentur für Arbeit übernommen werden sollen. 90 Prozent ist schon schön – aber was ist mit den restlichen zehn Prozent? Es bleibt vorerst völlig offen, was mit den 10 Prozent passieren würde. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass diese Beschäftigten der Arbeitsagentur sich künftig auf der anderen Seite ihres Schreibtisches wiederfinden. Meine Damen und Herren, für Personalabbau im Öffentlichen Dienst wollen wir LINKEN keine Türen öffnen.

3. Die dritte und unabdingbare Perspektive ist natürlich die des Rhein-Neckar-Kreises selbst. Die Problematik der Haftung wurde heute schon angesprochen, so dass ich darauf nicht noch einmal eingehen muss. Es wird manchem sicherlich nett vorkommen, wenn durch die Option unser Kreishaushalt um mehrere Millionen Euro vergrößert würde. Aber bringt das auch mehr Möglichkeiten mit sich? Wir bei der LINKEN meinen: Nein. Sie wissen alle, dass der Bund bei der Verlagerung von Aufgaben auf die kommunale Ebene alles andere als großzügig ist, was die Finanzierung angeht. Die absehbare Folge ist, dass wir künftig nicht nur beim Etat für die Kosten der Unterkunft, sondern auch bei den Vermittlungsleistungen mit engen Budgets auskommen müssen. Wir mussten ja schon letztes Jahr den Sozialetat im Nachtrag aufstocken, und ich sage Ihnen: Das wird auch nächstes Jahr mit hoher Wahrscheinlichkeit passieren. Ich erinnere hier nur an das Bundesverfassungsgerichtsurteil zu den Kinderregelsätzen. Wenn wir uns nun auch noch die Kosten für die Arbeitsvermittlung aufbürden lassen, die ebenfalls knapp – und oft zu knapp – kalkuliert werden, dann holen wir uns den nächsten Risikofaktor in den Haushalt.

Liebe Bürgermeister hier im Saal, bitte denken Sie daran: Sie werden im Problemfall vor schweren Alternativen stehen. Sie können dann entscheiden, ob sie mögliche Deckungslücken mit neuen Schulden schließen wollen,

[Zurufe aus CDU und FW: Quatsch!]

was bei 111 Millionen Euro Schulden fraglich ist. Und wenn Sie das nicht wollen, meine Damen und Herren, dann dürfen Sie entscheiden, ob Sie Ihre Städte und Gemeinden mit einer höheren Kreisumlage belasten wollen –

[Zurufe aus CDU und FW: Unsinn!]

oder ob sie den Ärmsten der Armen in Ihren Städten und Gemeinden noch das letzte Hemd wegnehmen wollen.

[Unruhe im Saal.]

Eine solche Entscheidung wird niemand hier im Hause fällen wollen – deshalb bitte ich Sie: Lehnen Sie das Optionsmodell ab!

Vielen Dank.

[Beifall der LINKEN.]

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