Rede zum Weinheimer Nachtragshaushalt 2009/10

[Rede von Stadtrat Carsten Labudda, DIE LINKE, bei der Sitzung des Weinheimer Gemeinderates am 21. Oktober 2009]

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

Es herrscht große Einigkeit hier im Gemeinderat, dass es um die Finanzen der Stadt Weinheim schlecht bestellt ist. Uns drückt ein dreistelliger Millionenbetrag an Schulden, und die bestehenden Ausgabenverpflichtungen verschärfen die Situation weiter.

Zu den Ursachen wurde heute bereits einiges gesagt. Aus Sicht der LINKEN lassen sich zwei große Bereiche ausmachen, denen wir die prekäre Lage zu verdanken haben.

Zum Einen müssen wir feststellen, dass die Finanzausstattung der Kommunen seit vielen Jahren unter Kürzungen seitens des Bundes und der Länder leidet. Das Konnexitätsprinzip, dem zufolge das, was übergeordnete Ebenen den Kommunen an Aufgaben zuweisen, auch bezahlt werden muss von genau diesen übergeordneten Ebenen, ist bis heute nicht wirklich umgesetzt. Wir alle hier haben darunter zu leiden. Aus Sicht der LINKEN sollten wir uns alle vornehmen, das Einschränkungen bei der Kommunalfinanzierung künftig auf viel mehr öffentlich vernehmbaren Protest und Widerstand gerade auch von unserer Seite führt.

Der andere Bereich, der unsere städtischen Finanzen stark belastet, das ist der von uns – Verwaltung und Gemeinderat – zu verantwortende Teil der Schulden. Zahlreiche große Projekte – vom Waldschwimmbad über die Schlossbergterrasse bis zum aktuellen Beispiel des Anbaus beim Werner-Heisenberg-Gymnasium – sind nicht nur teuer, sie sind samt und sonders teurer als geplant geworden, und das nicht zu knapp. Hier müssen wir alle in diesem Gremium unsere Hausaufgaben künftig deutlich besser machen, als sie das in der Vergangenheit getan haben. Seitens der LINKEN kann ich ihnen sagen, dass aus unserer Sicht ein deutliches Plus an Transparenz – welches auch ein deutliches Mehr an Kontrolle durch die Bürgerinnen und Bürger mit sich bringt – uns in unseren Bemühungen sehr wohl helfen kann.

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

Der uns vorliegende Nachtragshaushalt zeichnet sich dadurch aus, dass durch Kürzen, Streichen und Schulden machen die schlimmsten Folgen – nämlich die Ablehnung des Haushaltes durch das Regierungspräsidium und eventuell die Zwangsverwaltung – abgewehrt werden soll. Die zahlreichen Schiebungen und Streichungen zeigen das an, und die voraussichtliche Unterschreitung der Mindestrücklage im Jahr 2011 ist ein drastischer Ausdruck des Problems.

Vor diesem Hintergrund begrüße ich die allseitigen Sparbemühungen ausdrücklich. Ich gehe aber davon aus, dass das Einsparvolumen aufgrund der seit Jahren bestehenden Bemühungen sehr gering ist, es sei denn, wir machen Abstriche auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger – solche Abstriche werden aber schwerlich die Zustimmung der LINKEN finden.

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

Was mir in der Debatte absolut zu kurz kommt, das ist die Frage von Einnahmesteigerungen. Wie sie wissen, habe ich beantragt, den Hebesatz zur Gewerbesteuer aufgrund der Krise vorübergehend von 350 auf 380 von Hundert anzuheben. Mit dieser sehr moderaten Steigerung können wir in 2010 immerhin gut eine Million Euro Mehreinnahmen erzielen, wie ja auch von der Kämmerei bestätigt wurde.

Dazu habe ich schon Widerspruch geerntet aus den Reihen der Gewerbesteuer zahlenden Stadträte,

[Unruhe bei der CDU: Wer denn?]

die es ablehnen, einen solchen Beitrag zur Meisterung der Krise zu leisten.

[Unruhe bei der CDU.]

Dazu muss ich darauf hinweisen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beim Freudenberg-Konzern ein Krisenopfer von bis zu zwölf Prozent leisten. Zwölf Prozent!

[Unruhe bei CDU, FWV und FDP.]

Ich mache das einmal deutlich: Ein Facharbeiter, der bei Freudenberg gut verdient, kommt auf einen jährlichen Bruttoverdienst von vielleicht 50.000 Euro, macht netto im Monat um die 2.500 Euro. Das bedeutet, dass er im Monat bis zu 300 Euro weniger hat, damit das Unternehmen und die Arbeitsplätze die Krise überstehen. 300 Euro, das ist wahrlich nicht wenig!

[Unruhe bei CDU, FWV und FDP.]

Ein kleiner Unternehmer, der im Jahr vielleicht 50.000 Euro Gewinn erzielt, der hätte im Falle der von mir beantragten Gewerbesteueranhebung eine monatliche Mehrbelastung von 22,31 Euro.

[Unruhe bei CDU, FWV und FDP.]

Bei 100.000 Euro Jahresgewinn sind es monatlich etwa 66 Euro mehr, die er zudem bei der Einkommenssteuer geltend machen kann.

[Unruhe bei CDU, FWV und FDP.]

Wenn nun einer eine Million Euro Gewinn hat, dann wäre es Jammern auf höchstem Niveau, wenn er sich über nicht einmal 700 Euro Mehrkosten aufregt.

[Unruhe bei CDU, FWV und FDP.]

Wo bleibt da eigentlich die Verhältnismäßigkeit? Hier geht es schließlich auch um ein soziales Gerechtigkeitsempfinden, und ich bin froh, dass auch die CDU-Bürgermeister einiger Kommunen im Rhein-Neckar-Kreis über eine Gewerbesteueranhebung nachdenken, wie die Zwischenrufe bei meiner gestrigen Kreistagsrede mir bestätigt haben.

Herr Haring, sie stehen der größten Fraktion in diesem Hause vor. Im Stadtbild signalisieren sie, dass ihre Malerei gut und fleißig ist – ob bei der Sanierung der LEG-Wohnungen in der Königsberger Straße, den Neubauten der Baugenossenschaft in der Mannheimer Straße oder auch bei der inoffiziell längst nach ihnen benannten „Haring-Wand“ am Windeck-Plätzchen.

Ich bin mir absolut sicher, dass die Anhebung der Gewerbesteuer sie nicht an den Bettelstab bringen wird. Da habe ich volles Vertrauen in ihre langjährige Erfahrung und ihr unternehmerisches Geschick. Ich bin auch sicher, dass das von mir beantragte sehr moderate Notopfer zur Bewältigung der Krise nicht dazu führen wird, dass sie dem Standort Weinheim den Rücken kehren, denn ich bin überzeugt, dass sie und anderen Unternehmer hier im Hause unsere Stadt Weinheim genauso sehr lieben wie ich. Meine Damen und Herren, geben sie sich also einen Ruck. Stellen sie das Gemeinwohl über ihr Eigeninteresse und stimmen sie meinem Antrag zu.

[Unruhe bei CDU, FWV und FDP.]

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

Die von der LINKEN vorgeschlagenen Mehreinnahmen haben auch einen über die Verschuldungsbremse hinausgehenden Zweck. So beantrage ich – schreiben sie das ruhig mit – dass die Sperren bei den Anschaffungen der Schulen nicht verhängt werden. Der Gesamtelternbeirat der Stadt hat darauf hingewiesen, dass unsere Schulen im Landesvergleich schon unterdurchschnittlich sind. Hier ist also der völlig falsche Platz zum Sparen!

Ein anderer Punkt, an dem sofortiges Handeln nötig ist, ist die Schülerbeförderung. Ich habe mit meinen Genossen die Probe aufs Exempel gemacht und bin einmal persönlich mitgefahren. Ich kann ihnen nur sagen: Machen sie das auch einmal! Wenn Schüler während der Fahrt an die Frontscheibe gepresst werden, dann haben wir hier ein Sicherheitsrisiko, das abgestellt gehört. Muss erst etwas passieren? Brauchen wir erst verletzte Kinder, bis der allgemeine Aufschrei dazu führt, dass da was passiert? Ich beantrage – schreiben sie auch das ruhig mit – dass die Stadt alles ihr Mögliche unternimmt, dass auf der Strecke von Oberflockenbach zum Dietrich-Bonhoeffer-Schulzentrum und zurück ein weiterer Bus in der Schülerbeförderung eingesetzt wird, damit die Kinder und Jugendlichen unserer Stadt sicher zur Schule und zurück kommen.

Damit haben sie drei Vorschläge vernommen, die aus Sicht der LINKEN unabdingbar sind: Anhebung der Gewerbesteuer, keine Sperren bei den Schuletats, Maßnahmen für eine sichere Schülerbeförderung.

Dem Nachtragshaushalt in der vorliegenden Form muss ich aber leider ablehnen.

Vielen Dank.

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