Zynisch, menschenverachtend

[Leserbrief in den Weinheimer Nachrichten vom 22. Oktober 2010]

Spätesten seit dem 30. September wissen auch die Menschen in Baden-Württemberg, wie eine durch friedliche und intelligente Bürgerproteste in die Enge getriebene Staatsmacht mit ihren Gegnern umgehen kann.

Mit einer bis dahin nicht für möglich gehaltenen, beziehungsweise ausschließlich für Chaoten reservierten, staatlichen Gewalt wurde nicht nur der Protest gegen Stuttgart 21 niedergeknüppelt. Mit Reizgasen und Wasserkanonen wurde den Landeskindern anschaulich und spürbar klargemacht, was es in unserer Demokratie bedeutet den Vertretern der Staatsmacht und des Kapitals unbequem zu werden.

Eine besondere Ironie der Geschichte ist die zeitliche Nähe der von maskierten Polizei-Sonderkommandos ausgehenden brutalen Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Rentner zum 20. Jahrestag des Beitritts der neuen Bundesländer. Die verantwortliche CDU ist heute, nach über 50 Jahren Regierungsgewalt, ähnlich weit abgerückt von der normalen Bevölkerung wie damals die Regierung der DDR.

Wenn Oberbürgermeister Schuster, Innenminister Rech und Ministerpräsident Mappus den Kindern selbst die Schuld für ihre erlittene Misshandlung und Traumatisierung geben, kann ich das nur als zynisch und menschenverachtend bezeichnen. Kanzlerin Merkel ist für die Eskalation mitverantwortlich. In ihrer Haushaltsrede am 15. September hat sie "Stuttgart 21" zu ihrem Kampf erklärt, um den Hardlinern in ihrer Partei zu gefallen.

Recht haben und Recht bekommen ist nicht dasselbe. Auch die fundiertesten Argumente gegen Stuttgart 21 schieben die Projektbefürworter beiseite, weil es nicht nur um den Machterhalt, sondern auch um viele Milliarden Euro geht, die sich ein paar Leute auf Kosten der Allgemeinheit unter den Nagel reißen wollen. Als Gralshüter der Demokratie werden derzeit die Grünen dargestellt.

In der Tat haben sie zum Thema Bahn schon seit vielen Jahren die richtige Meinung. Doch weshalb sperren sich die Grünen gegen Volksabstimmungen zu weitaus wichtigeren Themen als dem Bahnhof in Stuttgart. Volksabstimmungen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr, den EU-Verträgen und dem Renteneintrittsalter wären mindestens genauso wichtig.

Mehr als traurig ist die Haltung der Landes-SPD. Trotz zahlreicher vorliegender Beweise, die zeigen, dass die Gewalt im Stuttgarter Schlosspark bestellt war, kann sich diese nicht einmal eindeutig für einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aussprechen.

Matthias Hördt, 69469 Weinheim

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