Nur noch Schein statt Sein im Gemäuer
[Weinheimer Nachrichten vom 30. Mai 2009]
Weinheim. Die grüne Bank an der Seite bleibt bei den Roten leer. Auf Stühlen sitzen die Besucher unter der Linde beim Roten Turm und folgen aufmerksam den Geschichten von Werner Pieper. Der Autor, Verleger und Medienexperimentator aus Löhrbach hat ein dickes Buch vor sich auf dem kleinen Tisch liegen; sein Turmbuch. Ab und zu blättert er darin, doch alles, was er bei der Veranstaltung der Partei "Die Linke" über das Baudenkmal hinter sich erzählen kann, hat er im Kopf, und so wird es eine besondere Geschichtsstunde, bei der "Historie von unten" im klassischen Sinne lebendig wird.
Aus Kerker wird Schreibstube
Als ihm seine Freundin 1990 einen großen Schlüssel auf den Tisch legte und fragte: "Willst Du ihn haben?", begann Piepers persönliche Geschichte mit diesem Teil der alten Weinheimer Stadtbefestigung. Es war der Schlüssel zur Turmtür. 500 Jahre lang war das 30 Meter hohe Bauwerk Kerker gewesen. Pieper hat ihm einen neuen, einen anderen Sinn gegeben. Droben, im obersten Stock, klapperte seine Schreibmaschine, füllte sich Seite um Seite eines seiner Bücher, die er nebeneinander an der Holztäfelung des runden Zimmers aufhängte. "Ich saß mitten in meinem Buch", sagt er und es ist ihm deutlich anzumerken, wie sehr ihm das alte Gemäuer ans Herz gewachsen ist.
Pieper hatte sich für den Turm interessiert, hatte recherchiert und ein Buch mit dem Titel "Der Rote Turm zu Weinheim" verfasst. Eine lange Zeit hatte er diesem Werk gewidmet, und sie endete erst zur Zeit des ruhmreichen 1:0-Pokalsieges des FV 09 Weinheim über den großen FC Bayern München. Das bringt die Zuhörer zum Lachen.
Vielen Schulklassen hat er bei Führungen Geschichte von unten erzählt. Die ersten Techno-Partys wurden hier gefeiert, manche Kunstausstellung arrangiert, unter anderen von Norika Nienstedt, die vor Pieper eine geraume Zeit Schlüsselgewalt über den Turm hatte. Auch Arte interessierte sich für das Schmuckstück, als der Fernsehsender einen Beitrag über den Mond drehte, denn von der Spitze des Turms aus ist der Nachthimmel ein bisschen näher und der Blick über die Dächer der Weinheimer Altstadt und in die Ebene ist ein besonderer.
Auf Mängel hingewiesen
Leider ist er derzeit nicht mehr möglich, und das kann Werner Pieper nur frustrieren. Aus versicherungstechnischen Gründen konnte der "Linken" am Donnerstag von der Stadt keine Genehmigung zur Turmnutzung für die Veranstaltung erteilt werden. Zu gefährlich scheint inzwischen seine Benutzung zu sein.
Als Pieper 2004 den Schlüssel wieder an die Stadt zurückgab, wies er bereits darauf hin, dass Fehler bei Nachbesserungsarbeiten an der Turmspitze zu Wasserschäden führten. Dort oben wurde so viel Beton gegossen, dass der Abfluss des Regenwassers nicht mehr funktioniert, zumal zwei von vier Ablaufrinnen offensichtlich gar nicht mehr ihre Funktion haben. Es wurde moosig dort droben.
Viele Schreiben von Werner Pieper an die Stadt und manches Gespräch fruchteten nicht. "Da darf keiner mehr rauf", hieß es schließlich, und so zog mit Pieper auch das Leben aus den Mauern.
"Wenn nur irgendetwas mit dem Turm passieren würde, wäre es gut", sagt er. Ihn stört, dass er geschlossen wurde, dass das Leben aus ihm gewichen ist und stattdessen nur noch der Schein der Nachtbeleuchtung zählt.
Ein Kleinod zerfällt
Carsten Labudda von den "Linken" teilt diese Meinung. Man habe es mit einem stadtgeschichtlichen Kleinod zu tun, das zerfällt. Der bauliche Zustand müsse gesichert werden. Wäre es nicht möglich, diese Aufgabe an Architekturstudenten zu übertragen, die sich diesem Projekt als Planungsaufgabe sicher gerne annehmen würden, meint er.
"Ich hatte meine Zeit mit dem Turm", sagt Werner Pieper. Beendet hat er sie mit einem Heft, das den Titel "Der Turm rockte" trägt. Buch und Heft sind so gut wie vergriffen. Schade, meinen einige Zuhörer, und Matthias Hördt schlägt vor, die beiden Werke wenigstens einzuscannen und sie als elektronisches Medium zur Verfügung zu stellen; vielleicht ist das ja ein ganz neues Projekt des Medienexperimentators, das an diesem kühlen, regnerischen Abend auf den Weg gebracht wird. dra
Weinheim. Die grüne Bank an der Seite bleibt bei den Roten leer. Auf Stühlen sitzen die Besucher unter der Linde beim Roten Turm und folgen aufmerksam den Geschichten von Werner Pieper. Der Autor, Verleger und Medienexperimentator aus Löhrbach hat ein dickes Buch vor sich auf dem kleinen Tisch liegen; sein Turmbuch. Ab und zu blättert er darin, doch alles, was er bei der Veranstaltung der Partei "Die Linke" über das Baudenkmal hinter sich erzählen kann, hat er im Kopf, und so wird es eine besondere Geschichtsstunde, bei der "Historie von unten" im klassischen Sinne lebendig wird.
Aus Kerker wird Schreibstube
Als ihm seine Freundin 1990 einen großen Schlüssel auf den Tisch legte und fragte: "Willst Du ihn haben?", begann Piepers persönliche Geschichte mit diesem Teil der alten Weinheimer Stadtbefestigung. Es war der Schlüssel zur Turmtür. 500 Jahre lang war das 30 Meter hohe Bauwerk Kerker gewesen. Pieper hat ihm einen neuen, einen anderen Sinn gegeben. Droben, im obersten Stock, klapperte seine Schreibmaschine, füllte sich Seite um Seite eines seiner Bücher, die er nebeneinander an der Holztäfelung des runden Zimmers aufhängte. "Ich saß mitten in meinem Buch", sagt er und es ist ihm deutlich anzumerken, wie sehr ihm das alte Gemäuer ans Herz gewachsen ist.
Pieper hatte sich für den Turm interessiert, hatte recherchiert und ein Buch mit dem Titel "Der Rote Turm zu Weinheim" verfasst. Eine lange Zeit hatte er diesem Werk gewidmet, und sie endete erst zur Zeit des ruhmreichen 1:0-Pokalsieges des FV 09 Weinheim über den großen FC Bayern München. Das bringt die Zuhörer zum Lachen.
Vielen Schulklassen hat er bei Führungen Geschichte von unten erzählt. Die ersten Techno-Partys wurden hier gefeiert, manche Kunstausstellung arrangiert, unter anderen von Norika Nienstedt, die vor Pieper eine geraume Zeit Schlüsselgewalt über den Turm hatte. Auch Arte interessierte sich für das Schmuckstück, als der Fernsehsender einen Beitrag über den Mond drehte, denn von der Spitze des Turms aus ist der Nachthimmel ein bisschen näher und der Blick über die Dächer der Weinheimer Altstadt und in die Ebene ist ein besonderer.
Auf Mängel hingewiesen
Leider ist er derzeit nicht mehr möglich, und das kann Werner Pieper nur frustrieren. Aus versicherungstechnischen Gründen konnte der "Linken" am Donnerstag von der Stadt keine Genehmigung zur Turmnutzung für die Veranstaltung erteilt werden. Zu gefährlich scheint inzwischen seine Benutzung zu sein.
Als Pieper 2004 den Schlüssel wieder an die Stadt zurückgab, wies er bereits darauf hin, dass Fehler bei Nachbesserungsarbeiten an der Turmspitze zu Wasserschäden führten. Dort oben wurde so viel Beton gegossen, dass der Abfluss des Regenwassers nicht mehr funktioniert, zumal zwei von vier Ablaufrinnen offensichtlich gar nicht mehr ihre Funktion haben. Es wurde moosig dort droben.
Viele Schreiben von Werner Pieper an die Stadt und manches Gespräch fruchteten nicht. "Da darf keiner mehr rauf", hieß es schließlich, und so zog mit Pieper auch das Leben aus den Mauern.
"Wenn nur irgendetwas mit dem Turm passieren würde, wäre es gut", sagt er. Ihn stört, dass er geschlossen wurde, dass das Leben aus ihm gewichen ist und stattdessen nur noch der Schein der Nachtbeleuchtung zählt.
Ein Kleinod zerfällt
Carsten Labudda von den "Linken" teilt diese Meinung. Man habe es mit einem stadtgeschichtlichen Kleinod zu tun, das zerfällt. Der bauliche Zustand müsse gesichert werden. Wäre es nicht möglich, diese Aufgabe an Architekturstudenten zu übertragen, die sich diesem Projekt als Planungsaufgabe sicher gerne annehmen würden, meint er.
"Ich hatte meine Zeit mit dem Turm", sagt Werner Pieper. Beendet hat er sie mit einem Heft, das den Titel "Der Turm rockte" trägt. Buch und Heft sind so gut wie vergriffen. Schade, meinen einige Zuhörer, und Matthias Hördt schlägt vor, die beiden Werke wenigstens einzuscannen und sie als elektronisches Medium zur Verfügung zu stellen; vielleicht ist das ja ein ganz neues Projekt des Medienexperimentators, das an diesem kühlen, regnerischen Abend auf den Weg gebracht wird. dra
labudda - 30. Mai, 07:56
Trackback URL:
https://linksparteiweinheim.twoday.net/stories/5730257/modTrackback