»SPD ist derzeit nicht koalitionsfähig«

[Neues Deutschland vom 12. September 2008]

LINKE-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch über ein Chaoswochenende und seine Folgen

Mit ihrer neuen Führung will sich die SPD aus dem Umfragetief retten und ein Jahr vor der Bundestagwahl der politischen Konkurrenz den Kampf ansagen. Links der SPD wird durch deren Neuausrichtung eher noch mehr Platz, meint Dietmar Bartsch. Mit dem Bundesgeschäftsführer der LINKEN sprach Wolfgang Hübner.

Die SPD hat nach dem Führungswechsel ein paar Prozent in Umfragen gewonnen. Wird der Wahlkampf für die LINKE schwerer gegen eine SPD-Führung, die ihre Partei besser im Griff hat?
Nein, Wir bleiben bei unserer Strategie. Die SPD hat doch eine politische Entscheidung getroffen. Müntefering steht für die Rente mit 67, Steinmeier ist der Architekt der Agenda 2010 und als Außenminister mitverantwortlich dafür, dass über 6300 deutsche Soldaten in 11 Ländern stehen. Genau das sind auch wichtige Wahlkampfthemen. Einen zeitweiligen Umfragenaufschwung haben wir schon bei Beck, Platzeck und bei Münteferings erster Wahl erlebt. Im übrigen steht das neue Führungsduo politisch dafür, dass die SPD Wähler von der CDU gewinnen will.

Sie würden aber die Linkspartei schon gern kleinhalten.
Ja, aber dazu müssten sie ihre Politik verändern. Kurt Beck ist mit dem Versuch gescheitert, den rechten und den linken Flügel zusammenzubinden. Die Medien haben diesen Versuch auf dem Hamburger Parteitag als Linksruck bezeichnet. Ich sprach von einem Linksrückchen – das nicht einmal umgesetzt wurde. Bahnprivatisierung, Mindestlohn – bei diesen Themen blinkt die SPD links, fährt aber weiter in der Mitte. Der linke SPD-Flügel hat am jüngsten Chaoswochenende verloren.

Welche Erfahrungen hat die Linkspartei mit Franz Müntefering in Sachen Zusammenarbeit?
1998, als der SPD-Vorsitzende Lafontaine hieß und der Bundesgeschäftsführer Müntefering, bildeten wir die erste SPD-PDS-Koalition in Schwerin. Franz Müntefering ist, was Konstellationsfragen betrifft, zutiefst pragmatisch. Um mehr Ministerpräsidenten für die SPD zu bekommen, arbeitet er auch mit uns zusammen. Es ist falsch zu glauben, dass bei größerem Einfluss der SPD-Rechten Bündnisse schwieriger würden. Das Problem der SPD ist, dass sie nie nach den Ursachen für das Entstehen und Erstarken der LINKEN fragt. Für uns ist die SPD auf Bundesebene derzeit mit ihrem inhaltlichen Angebot nicht koalitionsfähig.

Hat sich unter den neuen Umständen das rot-rot-grüne Projekt in Hessen erledigt?
Die Situation hat sich nicht verschlechtert. Teile der SPD haben zwar mit Gerüchten und fragwürdigen Umfragen alles getan, um Frau Ypsilanti einen Scheiterhaufen zu bereiten. Aber die LINKE bleibt ein verlässlicher Partner. Die SPD in Hessen muss sagen, ob sie bei dem Wahlziel »Koch muss weg« bleibt, ob sie eine andere Politik anstrebt. Es kann doch nicht im Interesse von Steinmeier und Müntefering sein, dass Koch weiter regiert.

Wirbt die LINKE jetzt offensiv um enttäuschte Sozialdemokraten?
Die LINKE wirbt um Mitglieder, und ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass nach dem letzten Sonntag allein im Karl-Liebknecht-Haus über 100 Menschen in die Partei eingetreten sind. Darunter auffällig viele, die direkt aus der SPD kamen. Wir werben Sozialdemokraten nicht gezielt ab und wir bekämpfen die SPD auch nicht gnadenlos, wie manche Medien unterstellen. Unsere politischen Gegner sind zuallererst die Neoliberalen in CDU/CSU und FDP.

Ein großes Wahlkampfthema der LINKEN ist soziale Gerechtigkeit. Davon reden alle – wie will sich die Linkspartei abheben?
Die anderen Parteien kürzen die Rente, wir nicht. Wir haben das Thema Mindestlöhne gemeinsam mit einigen Gewerkschaften auf die Agenda gebracht. In ihren Wahlprogrammen von 2005 waren SPD und CDU noch dagegen. CSU und Pendlerpauschale, SPD und flächendeckender Mindestlohn – das glaubt denen doch kein Mensch. Wir sind, anders als andere, als Partei der sozialen Gerechtigkeit auch im Wahlkampf glaubwürdig.

Die Bundesregierung will demnächst das Afghanistan-Mandat der Bundeswehr so weit verlängern, dass die nächste Entscheidung erst nach der Bundestagswahl fällig wird. Lässt sich das Thema so aus dem Wahlkampf heraushalten?
Nein, das wird nicht gelingen. Die Regierung weiß, dass sie in dieser Frage gegen die deutliche Mehrheit der Bevölkerung agiert. Sie hat Angst vor dem Volk. Gerade deshalb sollte die Bundestagswahl eine Abstimmung über die Auslandseinsätze werden.

FDP-Chef Guido Westerwelle sagte neulich, er habe nicht für die deutsche Einheit gekämpft, damit nun Kommunisten und Sozialisten etwas zu sagen haben.
Westerwelle kämpfte für die deutsche Einheit? In solchen Äußerungen zeigt sich die gleiche Nervosität wie bei der CSU, die den ganzen antikommunistischen Budenzauber wieder aufleben lässt. Letztlich ist es eine Bestätigung dafür, dass wir mit unserer Strategie richtig liegen. Wir werden die Politik in Deutschland weiter verändern, auch zum Ärger von Westerwelle.

Trackback URL:
https://linksparteiweinheim.twoday.net/stories/5192726/modTrackback



mitgliedwerden



Suche

 

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Besucher

Counter
seit 01.10.2005


Presseecho
Pressemitteilungen
Termine
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren