Kritischer Blick auf den Krieg gegen Libyen

[Rhein-Neckar-Zeitung vom 28. Oktober 2011]

Referent Dr. Erhard Crome vermutet nicht nur politische, sondern auch wirtschaftliche Gründe.

Weinheim. Der Diktator Muammar al-Gaddaf i ist tot und Libyen scheint auf dem Weg zu einer demokratischen Gesell­schaft zu sein. Doch wie begann eigent­lich der Krieg im Wüstenstaat und wa­rum beteiligte sich die Nato daran? Fra­gen, denen Dr. Erhard Crome, Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik im Institut für Gesellschaftsanalyse der Ro­sa-Luxemburg-Stiftung, im Weinheimer Alten Rathaus nachging.

Im Dezember 2010 hatte die „nord­afrikanische Revolution" in Tunesien be­gonnen und ab Februar dieses Jahres kam es in Libyen zum Aufstand. Nachdem die Sicherheitskräfte dort gewaltsam gegen die Demonstranten vorgingen und es zu ersten bewaffneten Auseinandersetzun­gen gekommen war, verabschiedete der UN-Sicherheitsrat am 17. März die Re­solution 1973, nach der eine Flugver­botszone über Libyen eingerichtet wer­den sollte und „alle notwendigen Maß­nahmen" zum Schütze der Bevölkerung zu ergreifen waren.

„Seitdem flogen die Luftstreitkräfte der beteiligten Nationen 26 100 Einsät­ze", machte Erhard Crome den Umfang des Kriegseinsatzes deutlich. Mindestens 30000 Tote und über 50000 Verwundete sind die Folgen. „Dabei verstand Gad­dafi gar nicht, warum er von Nato-Mit­gliedsländern mit Krieg überzogen wur­de", ging Crome auf die Sicht des Des­poten ein.

Schließlich hatte Gaddafi Öl nach Eu­ropa geliefert und die Flüchtlinge, die nach Europa wollten, in Libyen festge­halten. Ebenso kooperierte der libysche Geheimdienst mit dem US-amerikani­schen. Dazu wies das Land das geringste Wohlstandsgef alle in Afrika auf. Der Bil­dungssektor war im Vergleich zu be­nachbarten Staaten gut aufgestellt, wo­bei der Schulbesuch nichts kostete. „Trotzdem war die Situation der Ju­gendlichen in Libyen nicht anders als in Tunesien und Ägypten, wo viele Ju­gendliche keine Arbeit hatten", erklärte Crome.

Was steckte also hinter dem Nato-Einsatz? War es tatsächlich der Ölreichtum des nordafrikanischen Landes? „Die staatlichen, libyschen Ölunternehmen bekamen für Öllieferungen etwa 100 Dol­lar pro Barrel", erläuterte Erhard Crome seinen Zuhörern. Wenn westliche Ölfir-men Konzessionsverträge mit den Län­dern abschließen, um die dortigen Öl­vorkommen zu fördern, bekommen die Länder dagegen nur 25 bis 30 Dollar pro Barrel.

„Es gibt noch eine zweite Ressource in Libyen, und das sind große Wasser­vorräte unter der Sahara", zeigte Crome einen weiteren möglichen Grund. Au­ßerdem gehörte Libyen, neben dem Iran, zu einem der wenigen Länder zu denen die Nato-Staaten und die Europäische Union keine wirtschaftlichen und mili­tärischen Kooperationen hatte.

„Es gab wohl einen Deal zwischen den USA und Saudi-Arabien, wonach durch einen Militäreinsatz in Libyen Druck von den Golf-Staaten genommen werden sollte", nannte Erhard Crome noch eine weitere mögliche Motivation für den Krieg in Libyen. Schließlich hatte es in Bahrain einen Aufstand des Volkes ge­geben, der durch das Militär aus Saudi-Arabien niedergeschlagen worden war. Die westlichen Regierungen hatten dazu jedoch geschwiegen. „In Bahrain befin­det sich der Stützpunkt der 5. US-Flotte", sprach Crome einen der Hinter­gründe für dieses Verhalten an.

Auch zur Position Deutschlands in diesem Konflikt nahm Crome Stellung. „Deutschland ging neben den BRICS-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, gestärkt aus der letzten Wirtschaftskrise hervor", erläu­terte der Politikwissenschaftler. Es sei wirtschaftlich so stark, dass es mit jeder libyschen Regierung Verträge abschlie­ßen könne und dafür keinen Krieg be­nötige.

Von Stefan Zeeh

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