Neue Linke will als dritte Kraft Mehrheit nach links verschieben

[Weinheimer Nachrichten vom 18. Juni 2007]

Berlin (dpa) - Mit ihrer historischen Vereinigung zur ersten gesamtdeutschen sozialistischen Partei in der Bundesrepublik will sich Die Linke als dritte Kraft etablieren und so die politische Mehrheit nach links verschieben.

Nach zwei Jahren kontroverser Debatte vollzogen die ostdeutsche Linkspartei und die westdeutsche Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) in Berlin ihre Fusion mit nur einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen. Die rund 750 Delegierten des Gründungsparteitags wählten den bisherigen Linkspartei-Vorsitzenden Lothar Bisky (83,6 Prozent) und den früheren SPD-Chef Oskar Lafontaine (87,9 Prozent) von der WASG zu Parteivorsitzenden.

Die Linke strebt nach eigenen Worten einen grundgesetzkonformen Systemwechsel und will dabei durch eine sozial-ökologische Erneuerung einen demokratischen Sozialismus erreichen. Sie wollten besonders um die Wähler der SPD und der Grünen kämpfen, kündigten Bisky und Lafontaine an. Der Ex-SPD-Chef stellte die neue Linke in die Tradition der Arbeiterbewegung und der strikten Anti-Kriegs-Haltung des SPD-Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt. Mit der Ökologie reklamierte er ein klassisches Grünen-Thema für die Partei. «Die Systemfrage wird durch die Umweltfrage gestellt», betonte Lafontaine. Bisky betonte, der Neuanfang der Linken stehe auch in der Tradition von Brandts Slogan «Mehr Demokratie wagen».

Gemessen an der Mitgliederzahl verdrängt Die Linke mit ihren 72 000 Mitgliedern die FDP von Platz drei. Der Chef der bereits bestehenden gemeinsamen Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, sagte: «Ab heute sind wir die drittstärkste Partei, und zwar von den Mitgliedern und den Abgeordneten her.» Nach einer Umfrage für die «Bild am Sonntag» hat Die Linke ein Wählerpotenzial von 24 Prozent. Neben Anhängern von Grünen und SPD gaben auch solche von CDU und FDP an, sie könnten sich vorstellen, die neue Partei zu wählen.

Gysi rief unter dem Jubel der Gründungsdelegierten, es sei die erste echte deutsch-deutsche Vereinigung nach dem Zusammenbruch der DDR. Bisher habe es nur Beitritte des Ostens zum Westen gegeben. «Organisatorisch vollenden wir heute die Einheit Deutschlands.» Der demokratische Sozialismus entspreche dem Grundgesetz viel mehr als der Kapitalismus, sagte Gysi. Dem Slogan des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle, der mit Blick auf die Parteigründung «Freiheit statt Sozialismus» forderte, hielt Gysi entgegen: «Freiheit und Sozialismus».

Lafontaine kündigte an, die Linke wolle auch «die Partei der ökologischen Erneuerung» sein. Ein System, das nur auf mehr Ressourcenverbrauch und Gewinnsteigerung ausgerichtet sei, schade der Umwelt. Den Grünen warf Lafontaine vor, «die grüne Formel von der ökologischen Marktwirtschaft ist ein Placebo» - also wirkungslos. Der SPD kreidet ihr Ex-Vorsitzender an, es sei perfide, wenn die SPD für sich eine Politik des vorsorgenden Sozialstaats in Anspruch nehme. Kürzungen bei der Rente und der Krankenversorung sowie die Hartz-IV-Reform kündeten vom Gegenteil. Lafontaine forderte die Möglichkeit des Generalstreiks.

Die anderen Parteien reagierten mit heftiger Kritik auf die Parteigründung. Die SPD griff vor allem ihren früheren Vorsitzenden Oskar Lafontaine scharf an. Unionspolitiker warfen der Linken vor, in der Tradition der DDR-Staatspartei SED zu stehen, und warnten vor einem rot-roten Bündnis auf Bundesebene. FDP-Chef Guido Westerwelle sprach sogar von einer Bedrohung für die Bundesrepublik, erntete mit seiner drastischen Wortwahl aber Widerspruch in der eigenen Partei.

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil sagte in Berlin, Willy Brandt würde sich «angewidert abwenden, hätte er miterleben müssen, wie antiaufklärerische Linkspopulisten versuchen, ihn zu vereinnahmen».

Der designierte SPD-Vize, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, schloss in der «Bild am Sonntag» eine Koalition mit der Linken auf Bundesebene aus. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck sagte der «Bild»-Zeitung, dass er auch mittelfristig keine Chance für eine Koalition im Bundestag sehe. «Nein. Solange die PDS ihre Position in der Außenpolitik nicht grundlegend ändert, kann das nicht funktionieren.» Der neuen Partei warf er «Dampfplauderei ohne jede Substanz» vor. Zugleich räumte er ein, dass die SPD derzeit Schwierigkeiten habe, diese Partei zu entlarven.

Umwelt-Staatssekretär Michael Müller von der SPD warf Lafontaine vor, ihm gehe es nur um Rache an seiner alten Partei. Juso-Chef Björn Böhning rief die SPD in einem dpa-Gespräch auf, «gelassen und souverän» mit der neuen Partei umzugehen.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte der Deutschen Presse- Agentur dpa: «Nach außen gibt sich die Linke einen neuen Anstrich. Tatsächlich aber steht sie nach wie vor für programmatischen Plattenbau.» Vor allem von der SPD müsse die Linke «deutlicher und entschiedener bekämpft werden». Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) warnte die SPD vor einer Zusammenarbeit mit der Linken: «Mit Kommunisten kann man keine Politik machen.»

CDU-Vize Christian Wulff hingegen kann der neuen Partei auch Positives abgewinnen. Die CDU habe die Chance, mit der Warnung vor einem Linksbündnis «die eigenen bürgerlichen Wählerinnen und Wähler besser zu mobilisieren», sagte Niedersachsens Ministerpräsident der «Welt am Sonntag».

CSU-Chef Edmund Stoiber warnte in der «Bild»-Zeitung vor «dramatischen Veränderungen» in der Parteienlandschaft. «Die Union darf nicht so naiv sein zu glauben, die SPD werde 2009 nie und nimmer mit der Linkspartei koalieren.» Lafontaine nannte er einen «gefährlichen Demagogen», der auch früher schon gezeigt habe, «dass er nicht davor zurückschreckt, den rechten ebenso wie den linken Rand anzusprechen».

Andere CSU-Politiker stellten die neue Partei in die «Tradition von (DDR-Staats- und Parteichef Walter) Ulbricht, Mauer und Stacheldraht» - so Bayerns CSU-Fraktionschef Joachim Hermann. Für Landesgruppenchef Peter Ramsauer verhöhnt Lafontaine «das Schicksal der vielen Sozialdemokraten, die in der DDR Opfer politischer Verfolgung wurden».

Westerwelle brandmarkte beim FDP-Bundesparteitag in Stuttgart die Forderung nach einem Systemwechsel als «linksradikal»: «Wehret den Anfängen - das darf nicht nur gegenüber Rechtsaußen gelten, sondern das muss auch gegenüber Linksaußen gelten.» Fraktionsvize Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hielt Westerwelles Slogan «Freiheit statt Sozialismus» indes «nicht für glücklich», wie sie der dpa sagte.

Die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth warf der Linken auf einem Landesparteitag in Nordrhein-Westfalen Konzeptlosigkeit bei den Themen Klimaschutz und Friedenspolitik vor. Der Parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck sprach in Berlin von einer «Renaissance alt-linker, national orientierter Politikkonzepte, mit der man die sozialen und ökologischen Herausforderungen der Globalisierung nicht meistern kann».Eine vergleichbare Parteifusion hat es in der Nachkriegsgeschichte noch nicht gegeben. Zuletzt hatten sich 1993 die westdeutsch dominierten Grünen mit dem ostdeutschen Bündnis 90 zusammengeschlossen. Die Vereinigung von SPD und KPD zur SED kam 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone dagegen unter kommunistischem Zwang zu Stande.

Die neue Linke wählte auf ihrem Parteitag vier stellvertretende Vorsitzende: Katja Kipping, Katina Schubert, Klaus Ernst und Ulrike Zerhau. Bundesgeschäftsführer wurde der bisherige Amtsinhaber der Linkspartei, Dietmar Bartsch. Am Sonntag konstituierte sich der zwölfköpfige geschäftsführende Bundesvorstand.

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