"Charakterloser Lafontaine"
Wie "terroristisch" ist der Bund? Wie verrät man das "Vaterland"?
[Kommentar von Jony Eisenberg in der taz vom 24. Mai 2007]
Eine Ahnung davon, was uns weitere Kriegsabenteuer an Diskussionskultur versprechen, gibt uns die jüngste Rezeption der Äußerung Lafontaines, unter Inanspruchnahme seines Rechts auf freie Meinungsäußerung: die Bundeswehr sei, so Lafontaine, in Afghanistan "mittelbar in terroristische Aktionen verwickelt". Das ist so schlicht wie wahr, es ist zudem völkerrechtswidrig. Niemand kann das bestreiten, der bei Sinnen ist. Der Kriegsminister Jung selbst hat erst kürzlich an diesem Vorgehen Kritik geäußert.
Wie aber nehmen die Kriegsparteien der großen Koalition Lafontaines Kritik auf? Nicht etwa werfen sie ihm vor, die Afghanen oder die (angeblichen) deutschen Sicherheitsinteressen, die (angeblich) am Hindukusch verteidigt werden, zu vernachlässigen. Nein, sie weisen "das mit Entsetzen zurück" (Jung), Lafontaine sei charakterlos. Die Äußerungen zeigten, dass Lafontaine überhaupt kein Verantwortungsgefühl mehr habe. Jungs Vorgänger Struck empfindet für Lafontaines "Lügengebäude nur Verachtung", denn das sei "ein Schlag ins Gesicht für alle Angehörigen der Bundeswehr". Pofalla, Merkels Generalsekretär, "empfindet angesichts der in der Truppe zu beklagenden Opfer und dem Leid der Angehörigen nur Verachtung". Kauder meint, Lafontaine "stelle sich endgültig außerhalb derer, die demokratische Verantwortung zu tragen" hätten. FDP-Chef Guido Westerwelle: der Terrorismus-Vorwurf "ist eine Beleidigung für die Bundeswehr, Deutschland und die friedliche Völkergemeinschaft".
Wir lernen: Wer die Soldaten in sinnlose Händel in Afghanistan verwickelt, ihr Leben riskiert und die Zinksargrückführung in Kauf nimmt, der denkt an die Truppe, beleidigt sie nicht und fühlt mit den Angehörigen der Opfer. Wer weitere Opfer zu meiden sucht, handelt verantwortungslos, verhöhnt die Lebenden und die Toten. Das ist die Vereinnahmung der Öffentlichkeit für Kriegspropaganda, wie wir sie aus Kriegsgesellschaften kennen, aus der Bundesrepublik aber bislang nicht.
[Kommentar von Jony Eisenberg in der taz vom 24. Mai 2007]
Eine Ahnung davon, was uns weitere Kriegsabenteuer an Diskussionskultur versprechen, gibt uns die jüngste Rezeption der Äußerung Lafontaines, unter Inanspruchnahme seines Rechts auf freie Meinungsäußerung: die Bundeswehr sei, so Lafontaine, in Afghanistan "mittelbar in terroristische Aktionen verwickelt". Das ist so schlicht wie wahr, es ist zudem völkerrechtswidrig. Niemand kann das bestreiten, der bei Sinnen ist. Der Kriegsminister Jung selbst hat erst kürzlich an diesem Vorgehen Kritik geäußert.
Wie aber nehmen die Kriegsparteien der großen Koalition Lafontaines Kritik auf? Nicht etwa werfen sie ihm vor, die Afghanen oder die (angeblichen) deutschen Sicherheitsinteressen, die (angeblich) am Hindukusch verteidigt werden, zu vernachlässigen. Nein, sie weisen "das mit Entsetzen zurück" (Jung), Lafontaine sei charakterlos. Die Äußerungen zeigten, dass Lafontaine überhaupt kein Verantwortungsgefühl mehr habe. Jungs Vorgänger Struck empfindet für Lafontaines "Lügengebäude nur Verachtung", denn das sei "ein Schlag ins Gesicht für alle Angehörigen der Bundeswehr". Pofalla, Merkels Generalsekretär, "empfindet angesichts der in der Truppe zu beklagenden Opfer und dem Leid der Angehörigen nur Verachtung". Kauder meint, Lafontaine "stelle sich endgültig außerhalb derer, die demokratische Verantwortung zu tragen" hätten. FDP-Chef Guido Westerwelle: der Terrorismus-Vorwurf "ist eine Beleidigung für die Bundeswehr, Deutschland und die friedliche Völkergemeinschaft".
Wir lernen: Wer die Soldaten in sinnlose Händel in Afghanistan verwickelt, ihr Leben riskiert und die Zinksargrückführung in Kauf nimmt, der denkt an die Truppe, beleidigt sie nicht und fühlt mit den Angehörigen der Opfer. Wer weitere Opfer zu meiden sucht, handelt verantwortungslos, verhöhnt die Lebenden und die Toten. Das ist die Vereinnahmung der Öffentlichkeit für Kriegspropaganda, wie wir sie aus Kriegsgesellschaften kennen, aus der Bundesrepublik aber bislang nicht.
labudda - 24. Mai, 20:48
Ach Leuts...
Pauschale verurteilung der politischen Gegner als "Kriegsparteien", die Bezeichung "Kriegsminister" und ähnliches erinnern mich an die Propaganda links-sektierender Splittergruppen aus zeiten, wo es links von den Grünen nur "Parteien" wie DKP und MLPD gab.
Das ganze Thema Afghanistan ist hochkomplex und auch wenn ich persönlich die Meinung vertrete, dass dieser Einsatz ein großer Fehler ist, so kann ich nicht alle anders denkenden als "von Sinnen" bezeichnen.
Die Aussage von Herrn Lafontaine ist sprachlich völlig daneben und auch wenn der Afghanistan-Einsatz ein furchtbarer Fehler ist, so kann ich nicht alle Bunderwehrsoldaten, die in Afghanistan, vielleicht wirklich in der Überzeugung das Richtige zu tun Ihren Dienst verrichten als "mittelbare Terroristen" bezeichnen-das ist in der Tat nichts anderes als eine Beleidung und grenzt an Menschenverachtung.
Ich halte Herrn Lafontaine für zu intelligent um eine solche Äusserung unbedacht zu tun-gezielte Provokation kann mit Sicherheit kurzfristige Wahlerfolge bringen, wer aber auf Dauer ernst genommen werden möchte und politische Verantwortung übernehmen will muss sich auch einer dementsprechenden Sprache bedienen.
Ich sehe die Linkspartei hier an einem Scheideweg, an dem sie sich entscheiden muss zwischen Fundamentalopposition oder Realpolitik-ich hoffe sehr Sie entscheidet sich für letzteres- meine persönliche Wahlentscheidung für die anstehende Landtagswahl in hessen wird sich genau an dieser Frage entscheinen.
Gruß
Hallo Thorwalgh,
Lafontaine hat sich in seinen Äußerungen zunächst darauf bezogen, dass der Bundestag sich in einem Beschluss zu einer Definition des Begriffs "Terrorismus" durchgerungen hat, die da lautet, Terrorismus sei die Anwendung von [nicht legimierter] Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele. Und er hat zurecht darauf hingewiesen, dass die OEF-Mission in Afghanistan die Anwendung [völkerrechtlich nicht legitimierter] Gewalt von Seiten der beteiligten westlichen Staaten ist, also genau in die Definition des Bundestages zum Begriff "Terrorismus" passt. Somit hat Lafontaine auch Recht, dass nach dieser Definition die Bundeswehr durch KSK und Tornados in terroristische Aktivitäten verwickelt wird.
Nun ist seine Kritik aber keine an den Soldaten, sondern eine an den verantwortlichen Politikern, also den Herren Jung, Struck, Pofalla und wie sie alle heißen. Genau deshalb schreien sie auch so laut auf, denn Lafontaine hat sie getroffen. Und deshalb verstecken die Herren sich auch so gern hinter den Soldaten, die sie selbst in den Krieg geschickt haben. Ich würde das so ausdrücken: Was die Herren Jung, Struck & Co. hier betreiben, ist Missbrauch der Soldaten, um ihre eigene Verantwortlichkeit zu vertuschen.
Ansonsten gehen die Herrschaften eh gerne nach der Schopenhauer'schen Methode vor: Wenn ich keine Argumente mehr habe, werde ich halt einfach persönlich. Insbesondere in Bezug auf Lafontaine läuft das ja schon seit Jahren so. Er sagt sachlich und fachlich korrekte Sachen, und weil den Herrschaften nichts Gescheites dazu einfällt (wie sollte es auch, sie müssten die Fähigkeit zur Selbstkritik erlernen), übergießen sie Lafontaine mit sachlich inkorrekten Vorwürfen, kurz: mit Dreck.
Sorry, Thorwalgh, aber da ist mir eine deutliche und sachlich korrekte Sprache (auch, wenn sie mal derbe ist) immer noch lieber, als alle Konzilianz der Welt, wenn sie als Verpackung für Lüge und Demagogie hergenommen wird.