Jugendgewalt: Linke will Ausbau des Sozialen
statt Verbote.
[Presseartikel vom 04. Dezember 2006]Weinheim (o) – Bei seiner letzten Beratung verständigte sich der Vorstand der Weinheimer WASG zum Thema Jugendgewalt. Dabei ging es sowohl um die bundesweite Debatte nach dem Amoklauf von Emsdetten als auch um die Situation in Weinheim. An der Diskussion, die deutschlandweit geführt wird, kritisieren die Linken besonders die häufige Verengung auf den Aspekt der sogenannten „Killerspiele“. Einem komplexen Problem wie der Entstehung von Gewalt könne die Beachtung nur dieses Randaspektes nicht gerecht werden. Mit Bezug auf Edmund Stoiber nannte der Sprecher der Linken Carsten Labudda es „armselig, dass manchen Politikern nicht anderes einfällt, als wieder einmal mit nicht durchsetzbaren Verboten und der Forderung nach mehr Überwachung der Bürger zu reagieren“.
Ursachen der Gewalt
Die Weinheimer Linken sehen drei zentrale Ursachenbereiche für die zunehmende Gewaltproblematik: soziale Ungerechtigkeit, zunehmende Entsolidarisierung in allen gesellschaftlichen Bereichen und ein schlecht ausgestattetes Bildungssystem.
Den Zusammenhang von sozialer Ungerechtigkeit und Gewalt beschreibt Carsten Labudda mit den Worten: „Armut schafft Verzweiflung, und verzweifelte Menschen können in Einzelfällen zu Verzweiflungstaten neigen.“ Das könne man an den sozialen Brennpunkten quer durch die Republik beobachten, wo die Belastung durch Gewaltkriminalität meist über dem Landesdurchschnitt liege. Deshalb sieht Labudda im Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit auch einen zentralen Baustein zur Verringerung von Gewalt.
Dass die Gesellschaft sich seit Jahren mehr und mehr entsolidarisiere, gilt den Linken als traurige Wahrheit. „Die Herrschenden predigen die Ideologie des Neoliberalismus. Der Neoliberalismus sagt, dass jeder sich selbst der Nächste ist“, meint Ortssprecher Jürgen Gulden. Damit einher gehe aber ein Verfall sozialer Bindungen. Der einzelne Mensch sei immer mehr sich selbst überlassen und habe es schwerer, Halt und Orientierung zu finden. Mit der steigenden sozialen Ungerechtigkeit sei die Entsolidarisierung heute manchmal sogar bis in die Familien hinein zu beobachten, was Gulden für eine äußerst bedenkliche Entwicklung hält.
Als dritten Ursachenbereich steigender Jugendgewalt haben die Linken das Bildungssystem ausgemacht. „Kindergärten und Schulen sollen wieder gerade biegen, was Familien und Gesellschaft versäumt haben, aber wie sollen sie das, wenn der Staat seit Jahren an der Bildung spart“, kritisiert WASG-Sprecher Knut Schaffert. Auf den mittlerweile chronischen Lehrermangel würden die Bundesländer zu oft mit einer Vergrößerung der Klassen reagieren. Das mache es den Lehrkräften immer weniger möglich, auf einzelne Schüler einzugehen. Dass gleichzeitig bei sozialpädagogischen Maßnahmen seit Jahren Einsparungen vorgenommen würden, verschlimmere die Situation umso mehr. Hier hätten die Bundesländer dringend umzusteuern. Vorbild solle nach Ansicht der Linken der PISA-Sieger Finnland sein, wo ein hervorragendes Betreuungsangebot herrsche und in den Schulklassen durchschnittlich weniger als 20 Schüler unterrichtet würden.
Situation in Weinheim
In Weinheim schätzt der Vorstand der WASG die Lage besser ein als an anderen Orten. Gerade im Fall des Schülers am Werner-Heisenberg-Gymnasium, der seit Kurzem mit seinen Äußerungen zu einem geplanten Amoklauf für Aufsehen sorgt, zeige sich, dass das Zusammenspiel von Mitschülern, Schule, Ämtern und Polizei in der Stadt gut funktioniere.
Weiterhin schätzt der WASG-Vorstand es als positiv ein, dass an einigen Schulen in Weinheim inzwischen erste Ganztagsangebote geschaffen wurden. Das sei ein Anfang, der weiterentwickelt werden müsse.
Allerdings gebe es auch in Weinheim noch Verbesserungsmöglichkeiten. So habe das sozialpädagogische Angebot an der Bonhoeffer-Schule nach schrittweisen Einsparungen in den letzten Jahren mittlerweile einen kritischen Punkt erreicht. Von ehemals drei Vollzeit beschäftigten Sozialpädagogen sei inzwischen nur noch ein Einziger für die 1.700 Schüler übrig. Trotz erheblicher Anstrengungen der Verantwortlichen sei es bislang nicht gelungen, eine Nachfolgeregelung für den vor der Pensionierung stehenden Ben Schmidt zu finden. „Die Verabschiedung von Ben Schmidt wird eine riesige Lücke reißen“, ist sich Knut Schaffert sicher. Umso dringender sei, dass das Tauziehen zwischen Stadt und Land um die weitere Finanzierung nicht dazu führe, dass die Neubesetzung der Stelle erst verzögert erfolgen kann. Das müsse dringend geklärt werden.
Danach, so ist sich die Weinheimer Linke einig, müsse es aber um mehr als ein Halten des Bestehenden gehen. Notwendig ist nach Ansicht der Linken ein deutlicher Ausbau der sozialpädagogischen Angebote. Anders seien die Herausforderungen in der Zukunft nicht mehr zu lösen.
Insgesamt stehe Weinheim bei den Angeboten für Kinder und Jugendliche aber vergleichsweise gut da, meint der Vorstand der Linken. Das dürfe allerdings nicht dazu führen, dass man sich auf dem Erreichten ausruhe.
darkrond - 6. Dez, 02:08
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