Bürger werden nun doch nicht gefragt

[Weinheimer Nachrichten vom 28. September 2012]

Gemeinderat: Obwohl eigentlich eine deutliche Mehrheit für einen Bürgerentscheid zum Thema Breitwiesen ist, wird das Ziel im Streit um die Formulierung der Frage verfehlt.

Weinheim. Selten hat eine Debatte des Weinheimer Gemeinderates am Tag danach so viele Beteiligte dazu veranlasst, gleich weitere Stellungnahmen an unsere Zeitung zu schicken. CDU, GAL und Linke, Stadtverwaltung und Bürgerinitiative lieferten damit ihre Interpretationen zum gescheiterten Bürgerentscheid über die Gewerbeentwicklung im Areal Breitwiesen. Wie gestern bereits kurz gemeldet, fand am Mittwoch keiner der Formulierungsvorschläge eine Mehrheit. Dabei hatte sich noch im März eine große Mehrheit dafür ausgesprochen, ein Dialogverfahren mit Bürgerräten mit dem Ziel durchzuführen, anschließend einen Bürgerentscheid herbeizuführen. Dieses Ziel wurde vom Gemeinderat glatt verfehlt.

OB wirbt für Kompromiss

Vergeblich hatte Oberbürgermeister Heiner Bernhard zu Beginn für den zwischen der Verwaltungsspitze und der Bürgerinitiative (BI) am Montag ausgehandelten Vorschlag bei der Fragestellung geworben. Zwar räumte der OB ein, dass die Verwaltung in der nicht öffentlichen Sitzung des Ausschusses für Technik und Umwelt einen anderen Auftrag erhalten hatte. Sie sollte in den Gesprächen mit der BI eine Formulierung finden, die den Flächentausch zwischen Breitwiesen und Hammelsbrunnen explizit erwähnt. „Aber das war im Konsens nicht erreichbar“, sagte Bernhard. Der nun vorliegende „konsensuale Vorschlag“ umfasse dennoch den Hammelsbrunnen, auch wenn er nicht ausdrücklich erwähnt werde. Darüber hinaus habe man mit der BI Vereinbarungen treffen können, die den Streit und anhängige Klagen komplett beilegen würden.

„Thema verfehlt“

Doch schnell wurde klar, dass der Gemeinderat dieses Verhandlungsergebnis nicht mittragen würde. Dr. Elke König (CDU) machte deutlich, dass die Mehrheit ihrer Fraktion keiner Formulierung ohne die Erwähnung des Hammelsbrunnens zustimmen könne, sondern mehrheitlich für die „Variante C3“ abstimmen werde. Der vorgelegte Kompromissvorschlag sei „nebulös“ und verschleiere, dass bei einer Ablehnung von Gewerbe in den Breitwiesen das heute als Naherholungsgebiet genutzte Areal Hammelsbrunnen im Flächennutzungsplan weiter für Gewerbe vorgesehen sei. „Thema verfehlt“, lautete ihr Fazit mit Blick auf die Bemühungen der Stadtverwaltung. Und an die Adresse der BI sagte sie: Wer keine klare Fragestellung wolle, müsse sich fragen lassen, was er damit bezweckt.

Auch Gerhard Mackert (Freie Wähler) kritisierte die BI scharf. Deren Fragestellung sei „unfair“ und das Bürgerbegehren aus formalen Gründen ohnehin unzulässig, so dass er sich frage, ob das Ganze nicht ein „Schildbürgerstreich“ sei. Trotzdem sei man prinzipiell bereit, den Aufstellungsbeschluss für die Änderung des Flächennutzungsplans aufzuheben, weil man die 5000 Unterschriften für das Bürgerbegehren nicht ignorieren wolle. Aber bei der Fragestellung müsse die Konsequenz einer Ablehnung von Gewerbe in den Breitwiesen – wie sie König zuvor beschrieben hatte – erkennbar sein. Deshalb plädiere seine Fraktion ebenfalls für „Variante C3“.

„Hammelsbrunnen ausgeblendet“

Für die SPD gab Fraktionsvorsitzender Wolfgang Metzeltin die Stellungnahme ab. Wie seine Vorredner lobte er die Arbeit der Bürgerräte und kritisierte die Fragestellung der BI, die bewusst den Hammelsbrunnen in ihrer Fragestellung ausgeblendet habe. Die SPD sei von Anfang an dafür gewesen, die Breitwiesen für Gewerbe zu entwickeln. Dabei bleibe man auch. Dennoch wäre man nicht gegen einen Bürgerentscheid, sofern die Fragestellung „fair und klar“ sei. Um eine „freie Gewissensentscheidung“ aller Stadträte zu ermöglichen, beantragte die SPD abschließend die geheime Abstimmung über die Durchführung eines Bürgerentscheids, fand dafür aber keine Mehrheit.

„Sperrige Formulierung“

Elisabeth Kramer (GAL) wies die Vorwürfe gegen die BI zurück. Auch die zufällig ausgewählten Bürgerräte hätten die Fokussierung auf den Flächentausch Hammelsbrunnen/Breitwiesen, den die Befürworter von Gewerbe in den Breitwiesen immer betonen würden, kritisch hinterfragt. Vielen Bürgern gehe es offenbar darum, nach Alternativen zu suchen und dabei zum Beispiel auch die Flächen einzubeziehen, die im Besitz der Firma Freudenberg sind. Außerdem habe sich die BI deutlich auf die Stadtverwaltung zubewegt und schriftlich die Rücknahme der Untätigkeitsklagen zugesichert, wenn es zum Bürgerentscheid mit der ausgehandelten Fragestellung kommen sollte. Diese Formulierung sei zwar „sperrig“, räumte Kramer ein, „aber sie ist ein tragbarer Kompromiss.“ Schließlich würden die Weinheimer im Vorfeld eines Bürgerentscheides ausführlich über das Thema informiert.

Die FDP war anschließend geneigt, diesem Appell zu folgen, falls die umfassende Information der Bevölkerung gewährleistet sei. Allerdings teile man die Auffassung der Verwaltung, dass das Bürgerbegehren aus rechtlichen Gründen unzulässig sei, wie Dr. Wolfgang Wetzel sagte. Da man aber die fast 5000 Unterschriften nicht übergehen wolle, müsse der Gemeinderat eben selbst den Bürgerentscheid herbeiführen.

Für Dr. Michael Lehner (Weinheim Plus) drängte sich der Verdacht auf, dass die großen Fraktionen die Fragestellung so verändern wollten, dass der Bürgerentscheid in ihrem Sinne ausgeht. Mit diesem „manipulativen Versuch“ schlage man jedoch den Bürgerräten ins Gesicht, die sich sehr engagiert mit der Problematik auseinandergesetzt hätten. Seinen Antrag, zumindest zwei Fragen beim Bürgerentscheid zu stellen – Gewerbe in den Breitwiesen ja oder nein, Gewerbe im Hammelsbrunnen ja oder nein – zog er jedoch zurück, als klar war, dass dieser keine Erfolgsaussicht hatte. Und Carsten Labudda (Linke) beendete die erste Runde der Debatte mit dem Appell: „Wir sollten uns einen Ruck geben und den Kompromiss mittragen, um den Frieden in der Stadt wieder herzustellen.“

Doch daraus wurde nichts. Uli Sckerl (GAL) fand zunächst keine Unterstützung für seinen Vorschlag, das Thema doch noch einmal zu vertagen, um der Verwaltung die Chance zu geben, mit der BI neu zu verhandeln. Auch sein Antrag, vor der eigentlichen Abstimmung über die drei noch zur Wahl stehenden Varianten ein Meinungsbild abzufragen, scheiterte. Damit wollte er vermeiden, dass sich verschiedene Vorschläge gegenseitig blockieren und mögliche Mehrheiten zunichtemachen.

Hintertür zugeschlagen

Nach einer Sitzungsunterbrechung, die keine neuen Erkenntnisse brachte, versuchte der OB ein letztes Mal, die Wogen zu glätten: „Das ist eine extrem schwierige Situation, Aber wir sollten die Dramatik auch nicht übertreiben. Es geht nur darum, ob und wo wir ein Gewerbegebiet entwickeln wollen.“ Doch selbst das letzte Hintertürchen, das er sich für neue Gespräche mit der BI offen halten wollte – nämlich die Vertagung der Entscheidung über die formale Zulässigkeit des Bürgerbegehrens – wurde von den Stadträten zugeschlagen. Keiner der Vorschläge fand eine Mehrheit. OB Bernhards nüchternes Fazit: „Ich stelle damit fest, dass es nach dem Willen des Gemeinderates keinen Bürgerentscheid gibt.“ pro

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