Finanziell mit Karacho gegen die Wand

[Rhein-Neckar-Zeitung vom 19. Juli 2012]

Erneute Kostensteigerung beim Ostbahnsteig in Lützelsachsen - Gemeinderat nimmt Planer ins Kreuzverhör und schaltet Juristen ein.

Weinheim. Der Gemeinderat hat am Mittwoch Vertreter der Deutschen Bahn und des Ingenieurbüros Mailänder Consult ins Kreuzverhör genommen. Und zwischenzeitlich hatte das Gremium tatsächlich etwas von einem Gericht, vor dem sich die drei Planer wegen der erneuten Kostensteigerung beim Bau des Ostbahnsteigs Haltepunkts Lützelsachsen verantworten mussten. Statt der ursprünglich kalkulierten Kosten von rund 1,2 Millionen, sollte die Baumaßnahme nun fast 1,8 Millionen Euro kosten, war der Stadt mitgeteilt worden.

Von Armin Guzy

Hauptgrund für die enorme Steigerung sind den Planern zufolge Kosten für Sicherheitsleistungen (Warnsysteme, Sicherungspersonal und Geschwindigkeitprüfeinrichtungen), die ursprünglich vom Architekten mit 60.000 Euro veranschlagt wurden, sich inzwischen aber auf rund 430.000 Euro erhöht haben. Das war zumindest der Stand vor der Sitzung.

In der Sitzung ruderte dann Bahnsprecherin Iris Hannappel, zugleich Leiterin des Projektbüros in Mannheim, zurück: Eine dreiwöchige Suche nach Sparmöglichkeiten hätten nun Kosten von 270.000 Euro ergeben. Immerhin 160.000 weniger. Und das sei sogar "relativ valide". Dennoch kam keine rechte Freude auf. Die Fragen nach den Ursachen waren bohrend, die Antworten teilweise wenig aussagekräftig, wenn sie nicht sogar ganz ausblieben. Es stellte sich heraus, dass die Bahn die Kostenauflistung für Sicherungsleistungen ihrer Baustellen in einer Art geheimer Datensammlung führt, auf das planende Ingenieure keinen Zugriff haben. Das seien schließlich interne Dokumente, verteidigte dies Bahn-Projektleiter Andreas Koch. Die externen Planer müssen die Kosten daher aus Erfahrungswerten errechnen. Im Fall des Ostbahnsteigs Lützelsachsen ist das offenbar gründlich schiefgegangen, obwohl Thomas Krannich von den Mailänder Ingenieuren auf 20 Jahre Berufserfahrung verwies: "Ich habe schon zig Bahnhöfe gebaut."

Er argumentierte, dass die Kosten inklusive der Sicherungsmaßnahmen für die geplante Lärmschutzmauer als Gesamtpaket gerechnet seien, und daher nicht mit 60 000, sondern mit 105.000 Euro zu Buche schlagen. Außerdem müsse wegen der stark befahrenen Strecke "in großem Umfang" nachts gearbeitet werden, was ebenfalls Zusatzkosten verursache. Und plötzlich war die Steigerung dann irgendwie gar nicht mehr so heftig.

Das verärgerte Raunen im Gremium war nicht zu überhören und die Kommentare entsprechend. Der bekennend leidenschaftliche Bahnfahrer Carsten Labuda von den Linken vermutete hinter all dem ein System: "Erst beim Angebot günstig einsteigen, und dann die eigene Bilanz auf Kosten der Steuerzahler sanieren", bemerkte er bissig. Dass die Strecke eine der am stärksten ausgelastete in Deutschland ist, und daher auch nachts gearbeitet werden müsse, sei ja wirklich keine neue Erkenntnis. Holger Haring (CDU) fühlte sich von "offensichtlich überforderten Planern" in die Irre geführt: "Das ist Kostenschätzung wie in der Dritten Welt." Und Oberbürgermeister Heiner Bernhard wetterte: "In der Art, mit der Sie hier mit Gemeinden umgehen, werden Sie den Ruf der Bahn nicht verbessern."

Was die Räten außerdem in Rage bringt, ist die Zwangslage in der sie sich befinden: Der vorgezogene Ausbau des Bahnsteigs ist zwingend erforderlich, weil erst dann die Lärmschutzwand hochgezogen werden kann, die für die Bebauung der Lützelsachsener Ebene unerlässlich ist: Der Lärmschutz ist im Bebauungsplan festgelegt und kann nicht umgangen werden. In einem Vertrag mit der DB hat sich die Stadt zudem zur Vorfinanzierung (mit Beteiligung des Rhein-Neckar-Kreises und der MVV) der Maßnahmen verpflichtet. Zöge die Stadt nun zurück, würde das das Ende der Infrastrukturmaßnahmen bedeuten. In diesem Fall könnte die Bahn die dadurch entstehenden Kosten der Stadt in Rechnung stellen, ohne dass Weinheim dann einen einzigen Schritt weiter wäre.

Daher beschlossen das Gremium dann nach fast eineinhalb Stunden Kreuzverhör und Diskussion, die Mehrkosten (inklusive eines Sicherheitspuffers von 123.000 Euro) zu übernehmen. Zugleich wurde festgelegt, dass der Vorgang durch einen Fachanwalt dahingehend überprüft werden soll, ob Mailänder Consult eine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Gegen den geänderten Beschlussantrag stimmten Carsten Labuda und Peter Lautenschläger (Weinheim Plus).

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